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Angst, Aggression, Halluzinationen, Krämpfe
Seit August diesen Jahres gibt eine seltsame Kombination aus akuten neurologischen Symptomen Tierärzten in ganz Deutschland Rätsel auf: Wie aus dem Nichts verfallen Hunde in extreme Erregungszustände, die an Panikattacken erinnern. Sie bellen und heulen ununterbrochen, zeigen unruhige und unkoordinierte Bewegungen. Sie versuchen, aus harmlosen Situationen zu entkommen, in der Not durch Türen oder sogar Fenster. Auch phasenweise Aggressionen und Anzeichen darauf, dass die Hunde Halluzinationen erleben, werden häufig beobachtet. Bei anhaltendem Verlauf erleiden die Tiere sogar epileptische Anfälle mit Krämpfen. Aufgrund dieses „wilden“ Verhaltens tauften die Tierärzte das unbekannte Phänomen „Werwolfsyndrom„.
Das Glück im Unglück: Das Werwolfsyndrom ist nicht tödlich, entwarnt die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in ihrem Instagram-Post (siehe unten). Die Symptome lassen sich mit sedierenden und angstlösenden Medikamenten behandeln, auch krampflösende Mittel zeigten gut Wirkung. „Der Verlauf dieser Erkrankung schwankt nach dem akuten Beginn über mehrere Tage bis Wochen. Viele Patienten zeigen nach einer Behandlung der Symptome allmählich Besserung“, heißt es in dem Post.
Mögliche Ursache für Werwolfsyndrom?
Aufgrund der plötzlichen Verhaltensänderung schlossen die Tierneurologen eine psychologische Ursache schnell aus. Schließlich verfielen auch Hunde, die vor dem Ausbruch des Werwolfsyndroms sehr ausgeglichen und gehorsam gewesen sein, diese plötzlichen Zustände höchster Erregung. Sogar Jagdhunde oder andere Hunde mit starken Nerven und sorgfältig trainiertem Gehorsam seien plötzlich ausgerastet, sobald sie einen erregenden Reiz wahrnahmen, und verloren die Fähigkeit, die Erregung zu regulieren. Einige Hundefreunde hatten sofort Impfungen, Zeckenschutzmittel und bestimmte Infektionen unter Verdacht, doch auch hier konnten die Tierärzte schnell entwarnen. Auch Hunde, die nicht geimpft oder kürzlich mit Zeckenschutzmitteln behandelt worden waren, zeigten das Werwolfsyndrom. Auffällig sei jedoch, dass oftmals mehrere Hunde im selben Haushalt erkrankt seien, und dass eher größere und jüngere Hunde betroffen seien.
Daher und aufgrund der Ermittlungen gehen die Experten momentan davon aus, dass ein Kausnack aus Rinderkopfhaut Schuld an den neurologischen Auffälligkeiten sei. Denn kurz vor den Anfällen hätten viele Hunde diese Kauleckerlis erhalten. Des Weiteren erhalten besonders größere und jüngere Hunde vermehrt Kausnacks zur Beschäftigung oder als Hilfe beim Zahnen. „Jedoch ist bisher nicht bewiesen, dass diese auch die klinischen Zeichen auslösen“, so die TiHo in einem Folgepost.
Viele Möglichkeiten, harte Ermittlungsarbeit
„Leider ist Ursachenforschung manchmal müßig. Der genaue Grund ist weiterhin unklar und wir ermitteln in verschiedene Richtungen“, versichert man Hundehalter weiter. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden analysieren die Experten nun die Futtermittel und Körperflüssigkeiten betroffener Tiere. Wahrscheinliche Ursachen könnte eine Kontamination mit Giftstoffen, Pestiziden oder Pilzsporen darstellen, aber auch Autoimmunerkrankungen und Infektionserreger sind (noch) nicht auszuschließen.
Bisher wurden im deutschsprachigen Raum rund 40 betroffene Tiere vorgestellt, man geht jedoch von einer höheren Dunkelziffer aus. Die Experten raten Hundehaltern dazu, einen Tierneurologen aufzusuchen, sollte die eigene Fellnase seit August 2024 ähnlich extreme Erregungszustände aus dem Nichts entwickelt haben. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz können Sie Ihren nächsten Tierneurologen über diese Karte finden.