Gastkommentar: Mein Leben mit PTBS und Hund

by Gastkommentar
Veröffentlicht: Zuletzt aktualisiert am 4 Minuten Lesedauer
Gastkommentar zum Alltag und Leben mit PTBS und Hund / Assistenzhund Simba / Leben mit Posttraumatischer Belastungsstörung /

PTBS & Hund: Mein Alltag mit Posttraumatischer Belastungsstörung – wie Assistenzhund Simba mich unterstützt

Was ist PTBS? Symptome, Auslöser und warum ein Hund helfen kann

PTBS steht für Posttraumatische Belastungsstörung. Sie entsteht nach belastenden oder traumatischen Erlebnissen und kann das Leben stark beeinflussen. Typische Symptome sind Panikattacken, Überstimulation, Schlafstörungen, Flashbacks und das Gefühl, schnell überfordert zu sein. Dinge, die für andere selbstverständlich sind – Einkaufen, Reisen, Treffen mit Freunden – können plötzlich große Hürden darstellen.

Alltag mit PTBS: Warum mein Hund Simba mir Sicherheit und Struktur gibt

So ist es auch bei mir. Mein Leben mit PTBS ist ein Auf und Ab. Manche Tage sind leichter, manche sehr schwer. Es gibt Phasen, in denen mir schon einfache Dinge wie Einkaufen zu viel werden: Geräusche, Menschen oder Unerwartetes bringen mich schnell aus dem Konzept, und ich brauche dann sehr viel Sicherheit. Manchmal fühle ich mich extrem allein und gerade dann ist mein Hund Simba meine Rettung. Durch ihn fühle ich mich geliebt, so wie ich bin. Mit ihm an meiner Seite fällt es mir leichter, abends unterwegs zu sein oder sonstige Alltagssituationen zu meistern.

Panikattacken bei PTBS: Wie mein Hund Licht macht, beruhigt und Nähe gibt

Früher, bevor Simba bei mir war, hatte ich nachts oft Panikattacken, wenn ich an einem neuen Ort allein schlief. Ich hörte Dinge, die nicht da waren, und die Angst war überwältigend. Simba kann in solchen Momenten sehr praktisch helfen: Er bringt mich zur Ruhe, macht für mich das Licht an und zeigt mir, dass ich nicht allein bin. Seit Simba bei mir ist, hatte ich nachts nur noch einmal so eine Panikattacke, und das beruhigt mich sehr.

PTBS, Stress und körperliche Folgen

Zusätzlich leide ich unter einer chronischen Blasenentzündung, die nicht nur körperlich, sondern auch psychisch ausgelöst werden kann. In schlimmen Phasen war es so stark, dass ich den Urin nicht halten konnte. Dann konnte ich das Haus nicht verlassen, hatte extreme Schmerzen und fühlte mich völlig ausgeliefert. Besonders beim Zugfahren traten diese Beschwerden häufig auf, was die Angst davor zusätzlich verstärkte. Ich habe lange herausfinden müssen, was mir hilft, und die Angst, dass so eine Entzündung zurückkommt, begleitet mich immer noch. Ein großes Glück ist, dass ich seit über einem Jahr keine so schlimme Phase mehr hatte. Das zeigt mir, dass es mir insgesamt deutlich besser geht und dass ich Fortschritte gemacht habe.

Reizüberflutung und Erschöpfung

Auch sonst gibt es viele Situationen, die für mich herausfordernd sind. Zugfahrten mit vielen Menschen, Gedränge oder neue Umgebungen können schnell zur Überforderung führen. Generell bin ich schneller erschöpft als andere und brauche nach vielen Eindrücken mehr Zeit, um mich zu erholen. Das kann sogar passieren, wenn ich etwas Schönes mit Freunden erlebt habe: Es war toll, und trotzdem bin ich danach völlig ausgelaugt. Das liegt an meiner PTBS, die mich weniger belastbar macht. Trotzdem lasse ich mich davon nicht unterkriegen und versuche, mein Leben zu meistern.

Selbstmitgefühl statt Druck: PTBS akzeptieren und mit Hund Pausen lernen

Manchmal mache ich mir selbst aber zu viel Druck: Ich nehme es mir krumm, wenn ich nicht so funktioniere wie andere, und erwarte von mir oft mehr, als realistisch ist. Das ist kontraproduktiv und frustriert mich. Ich lerne nach und nach, entspannter mit mir selbst zu sein und mir Ruhe zu gönnen, wenn ich sie brauche. Schließlich gibt man sich ja auch nicht die Schuld, wenn man mit einem gebrochenen Bein nicht laufen kann. Man akzeptiert es und gibt dem Körper Zeit zur Heilung. Genauso wichtig ist es, auch der Psyche diese Zeit zu geben.

Therapie mit PTBS: Dranbleiben – und warum der tägliche Spaziergang mit Hund so gut tut

Ich gehe regelmäßig zur Therapie und arbeite daran, meine traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten. Es ist ein langer Prozess mit guten und schlechten Phasen. Manchmal schaffe ich es so auf Konzerte oder in größere Menschenmengen und manchmal möchte ich mich nur verkriechen, viel schlafen und nichts mehr mit anderen zu tun haben. An diesen Tagen fällt es mir schwer, unter Leute zu gehen. Simba gibt mir trotzdem einen Grund aufzustehen: Er zwingt mich zwar nicht, aber er motiviert mich, denn ein Spaziergang mit ihm bringt mich oft auf andere Gedanken und hilft mir, wieder rauszugehen, auch wenn es schwer ist.

Assistenzhund-Ausbildung bei PTBS: Sicherheit, neue Kommandos und spürbare Fortschritte

Besonders stolz bin ich darauf, dass es mir heute schon viel besser geht als früher. Die Assistenzhundausbildung ist für mich zwar ein echter Kraftakt, aber auch eine große Chance: Ich habe gelernt, besser mit meinen Ängsten umzugehen. Für mich ist Simba ein Sicherheitsfaktor, und ihm neue Kommandos beizubringen macht mir richtig Spaß. Ich bin sehr dankbar, dass Simba in meinem Leben ist und dass ich ihn mit einer Trainerin zum Assistenzhund ausbilden darf.

Herausforderungen und Kosten: Warum ein Assistenzhund bei PTBS trotzdem die richtige Investition ist

Natürlich gibt es auch schwierige Momente. Die Ausbildung verlangt viel Zeit und Geduld, und auch finanziell ist es eine Belastung, da die Kosten für Assistenzhunde nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Manchmal habe ich Angst, dass Simba kein Assistenzhund wird, weil auch er nur ein Hund ist und es Tage gibt, an denen nicht alles klappt. Wenn es mir selbst nicht gut geht, sehe ich oft eher die Rückschläge als die kleinen Fortschritte, und das frustriert mich sehr. Ich möchte alles richtig machen und bin dann schnell streng mit mir, wenn mal etwas nicht so funktioniert. Dabei muss ich mir bewusst machen, auch Simba lernt Schritt für Schritt, und das braucht Geduld. Wenn es mir schlechter geht, ist das besonders anstrengend, und dann merke ich, wie sehr ich Unterstützung brauche.

Gastkommentar zum Alltag und Leben mit PTBS und Hund / Assistenzhund Simba / Leben mit Posttraumatischer Belastungsstörung /
(c) Angélique Lauckner

Entlastung im Alltag: Wie Partner und Hund gemeinsam bei PTBS unterstützen

Zum Glück wohne ich seit fast einem Jahr mit meinem Freund zusammen. Er unterstützt mich im Alltag sehr: Er übernimmt Simba, wenn mir alles zu viel wird, geht mit ihm spazieren, erledigt den Einkauf oder kocht für uns. Dafür bin ich unglaublich dankbar, denn gerade die kleinen Dinge machen einen großen Unterschied.

Zwischen Spontanität und Struktur: Mit PTBS im Gleichgewicht – dank Assistenzhund

Eigentlich bin ich ein spontaner, lebensfroher und glücklicher Mensch. Mit meiner Freude stecke ich gerne andere an. Doch wenn es mir nicht gut geht, fällt es mir schwer, so zu sein. Dann brauche ich viel Planung und Struktur, um durch den Alltag zu kommen. Simba hilft mir dabei, dieses Gleichgewicht zu halten.

Und genau hier können auch Außenstehende viel bewirken: Ein wenig Verständnis, Rücksicht und Geduld macht das Leben für Menschen mit PTBS deutlich leichter.

PTBS verstehen: So können Außenstehende Betroffene (mit Assistenzhund) wirklich entlasten

Was hilft bei PTBS – besonders, wenn ein Assistenzhund dabei ist

  • Zuhören – ohne sofort Lösungen vorzuschlagen.
  • Kurz und respektvoll fragen: „Brauchst du gerade Unterstützung?“ — aber ohne Druck.
  • Verständnis zeigen: Viele Betroffene haben oft das Gefühl, zu viel zu sein oder sich rechtfertigen zu müssen, obwohl sie nichts für ihre Erkrankung können.
  • Akzeptieren, wenn jemand Orte meidet oder plötzlich weggehen muss.
  • Den Assistenzhund niemals vom Besitzer trennen.
  • Manche Betroffene möchten nicht angefasst werden — körperlicher Kontakt kann Panik auslösen.
  • Konkrete Hilfe anbieten: z. B. Taschen tragen, einen ruhigen Platz zeigen
  • Unsichtbare Erkrankungen ernst nehmen — auch wenn man sie nicht sieht.

Was nicht hilft – typische Fehler im Umgang mit PTBS und Assistenzhund

  • Sätze wie „Reiß dich zusammen“ oder „Anderen geht’s schlimmer“.
  • Den Hund einfach anfassen oder ablenken.
  • Druck machen, „doch noch kurz zu bleiben“ oder „sich zusammenzureißen“.

Bei akuter Panikattacke:

  • Ruhig sprechen und Sicherheit vermitteln.
  • Atmung langsam vormachen.
  • Abstand lassen, wenn gewünscht — aber signalisieren: „Ich bin da.“
  • Respektieren, dass manchmal nur Zeit und Ruhe helfen.
Bild von Angélique Lauckner

Angélique Lauckner

Angélique Lauckner lebt gemeinsam mit ihrem Hund Simba, der sich derzeit in der Ausbildung zum Assistenzhund befindet. Seit er im Mai 2023 zu ihr kam, sind die beiden ein eingespieltes Team – ob im Alltag, beim Hundesport oder auf Reisen bis nach Wales. Mit viel Freude setzt sie aktuell ein Kinderbuch um, in dem sie kreativ Ängste und die wertvolle Arbeit von Assistenzhunden thematisiert. Besonders stolz ist sie darauf, gemeinsam mit Simba bei Top Dog Germany dabei gewesen zu sein – ein unvergessliches Erlebnis, das die enge Bindung zwischen ihr und ihrem Hund noch einmal sichtbar machte.

Disclaimer: Gastkommentare lassen Expert:innen, Fachleute und engegierte Leser:innen zu Wort kommen. Sie geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wieder.

📚 Mehr von unserer Gastautorin? Gibt es hier:

Das könnte dich auch interessieren