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Alles Streicheln oder was!?
Wenn Sie das Wort Therapiehund* hören, welche Bilder entstehen in Ihrem Kopf? Wahrscheinlich sehen Sie Menschen, die liebevoll einen herzigen Hund streicheln und dabei zufrieden lächeln. Berührung, Zuneigung und Nähe sind für uns alle von großer Bedeutung – und doch in bestimmten Lebensphasen oder -situationen viel zu selten. Das weiche, warme Fell eines Hundes lädt förmlich zum Kuscheln ein. Doch Streicheln und Berühren ist nur ein Aspekt der Arbeit von Therapiehunden. Tatsächlich gibt es sogar Einsatzbereiche, in denen Berührungen gar nicht vorgesehen sind.
Vielfältige Einsatzbereiche der Therapiehunde
Therapiehunde* sind in sehr unterschiedlichem Rahmen anzutreffen. Besonders in Wohneinrichtungen für Kinder, Jugendlichen und Senior:innen sind die vierbeinigen Besucher längst keine Seltenheit mehr. Die Hunde sorgen nicht nur für Abwechslung im Alltag, sie schenken den Bewohner:innen vorurteilsfreie Zuwendung und ermöglichen Nähe und Zärtlichkeit. Dabei tragen sie auch zur Förderung von Beweglichkeit, Kommunikation und Kognition bei. Besonders in der Kinderonkologie oder in Erholungseinrichtungen für schwerkranke Kinder sind die Hundebesuche oft das Highlight der Woche – ein Moment, der ganz besonders sehnsüchtig erwartet wird. Beim Spielen mit den Hunden, beim Schmusen und Streicheln können die Kinder ihren Kummer, ihre Krankheit, ihre Schmerzen für ein Weilchen vergessen.
Gewaltfreie Kommunikation dank Therapiehund
Therapiehunde sind nicht nur in der Pflege oder bei alten und kranken Menschen im Einsatz. Sie leisten wertvolle Arbeit in Bereichen, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht mit Hunden in Verbindung bringt. In Gefängnissen oder Einrichtungen der Jugendfürsorge werden Hunde gezielt eingesetzt, um gewaltfreie Kommunikation zu fördern. Hier lernen die Menschen durch den Umgang mit den Hunden ganz neue Facetten der Kommunikation kennen und nutzen. Ein schöner Nebeneffekt: Wenn der Hund da ist, ist das Handy nicht mehr so wichtig.
Hunde in der Schule
Schulpräsenzhunde helfen, das Klassenklima zu verbessern und die Lautstärke zu senken. Lesehunde wiederum unterstützen beim Lesenlernen, indem sie geduldig zuhören und den Kindern dabei helfen, sich sicherer zu fühlen. Einige Schulhunde begleiten die Schüler:innen sogar durch den gesamten Schulalltag.
Die Herausforderungen für Hund und Mensch
Auch wenn es so klingt, als sei die Arbeit eines Therapiehundes nicht allzu schwierig, darf man die Herausforderungen für das Tier nicht unterschätzen. Enge Räumlichkeiten, fremde Menschen, die sich begeistert auf den Hund stürzen, glatte Böden, ungewohnte Geräusche und intensive Gerüche – all das kann für die Hunde stressig und belastend sein. Hinzu kommt, dass die Hunde auch die Emotionen der Menschen, mit denen sie arbeiten, stark wahrnehmen. Auch das ist ein Aspekt, den man nicht unterschätzen darf.
Auf den Therapiehund achten
Deshalb ist es wichtig, dass Hunde nicht einfach als „Mittel zum Zweck“ betrachtet werden. Als HundeführerIn möchte man natürlich Gutes tun. Und doch heißt es aufpassen, dass dem Hund nicht mehr abverlangt wird, als ihm guttut: ein ungewohnt schwieriges Umfeld, eine zusätzliche halbe Stunde, ein weiterer Klient, und auf einmal ist es zu viel. Es ist eine Frage der Fairness, dass wir gut auf unsere Hunde achten und sie nicht überfordern, wenn wir als Therapie- oder Besuchshundeteam unterwegs sind. Viele Hunde sind begeistert bei der Sache, doch nicht alle haben Freude an dieser Arbeit und schon gar nicht ist jeder Hund dafür geeignet. Art, Dauer und Häufigkeit der Einsätze sollten dazu immer auf den Hund abgestimmt sein. Dass ein Einsatzhund gesund und schmerzfrei sein muss, sei hier nur der Vollständigkeit halber angeführt.
Verantwortung des Menschen in Ausbildung und Einsatz
Eine gute Ausbildung ist anspruchsvoll für das Therapiehundeteam. Sie erfordert Geduld, Sachkenntnis und ein hohes Maß an Verantwortung. Es geht dabei immer um das Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund sowie die Beziehung zu den Klient:innen. Der Hund lernt über positive Verstärkung mit Herausforderungen umzugehen. Gleichzeitig baut der Mensch seine Führungskompetenz aus, indem er lernt, seinen vierbeinigen Begleiter mit Umsicht zu führen, zur richtigen Zeit Feedback und Unterstützung zu geben und Situationen bewusst zu gestalten, anstatt Probleme einfach geschehen zu lassen. Die Verantwortung für den Einsatz bleibt stets beim Menschen, der als „Bodyguard“ seines Hundes dessen Bedürfnisse immer im Blick behalten muss.
Druck, Strafen und Zwang haben in einer verantwortungsvollen Ausbildung nichts verloren. Abgesehen vom Tierwohl wünschen wir alle uns Hunde, die ihre Aufgaben freudig und zuverlässig ausführen. Das ist nur erreichbar, wenn sie auf faire und gewaltfreie Weise ausgebildet werden. Heiteres, Heilendes und Hilfreiches unter Zwang erreichen zu wollen, widerspricht sich von selbst.
Hund im Ehrenamt
Die meisten Therapiehundeteams sind ehrenamtlich im Einsatz und leisten der Gesellschaft damit einen wertvollen Dienst. Doch immer häufiger werden Hunde auch speziell für den Einsatz in beruflichen Kontexten ausgebildet – sei es in der Therapie, Pädagogik oder Sozialarbeit. Dabei gibt es verschiedene Bezeichnungen für die unterschiedlichen Einsatzarten: Tiergestützte Therapie und Pädagogik, tiergestützte Förderung und tiergestützte Aktivitäten. Der Sammelbegriff dafür lautet Tiergestützte Intervention (TGI).
Für alle Einsatzbereiche gilt: Nur gut ausgebildete Teams, die gut harmonieren und auch unter Belastung einen klaren Plan haben, sind für diese Arbeit geeignet. Sorgfältige Vorbereitung und sensibles Management der Einsätze sind entscheidend für den langfristigen Erfolg und das Wohlbefinden aller Beteiligten, sodass am Ende alle zufrieden sind – der Hund, der teamführende Mensch und die KlientInnen.
*Wir verwenden den Begriff „Therapiehund“, weil dieser allgemein verstanden wird. Die gesetzlichen Definitionen mögen dort und da ein wenig abweichen.
Karin Immler
Karin Immler ist Präsidentin der VÖHT, Trainerin für Menschen mit Hund, Therapiehundetrainerin und gerichtlich beeid. und zertif. Sachverständige. Ihre Hundeschule know wau ist in Salzburg und online aktiv.