Der Hund ist ein Rudeltier und als solches liegt es nicht in seiner Natur, alleine gelassen zu werden. Die Folge davon ist oftmals Trennungsangst. Wie man diese mit Training wegbekommt, haben wir eine Expertin gefragt.
Es als selbstverständlich anzusehen, dass der geliebte Vierbeiner einfach mal so einige Stunden allein zuhause bleiben soll, wäre also vermessen – und für viele Hunde ohne gut aufgebautes Training ohnehin eine große Zumutung. Wie ein solches aussehen kann, darüber sprachen wir mit Verena Nerat, tierschutzqualifizierte Hundetrainerin.
Kann man ganz allgemein sagen, wie lang man einen Hund durchschnittlich alleine lassen darf, damit es für den Hund gut erträglich ist?
Wie lange man einen Hund alleine lassen kann hängt grundsätzlich vom jeweiligen Individuum ab. Bei manchen kommt man über eine bestimmte Zeitdauer nicht hinaus, auch wenn man noch so gut trainiert, wieder anderen fällt es leichter, ein paar Stunden alleine zu bleiben. Ich denke aber, mehr als drei bis vier Stunden sollte man einen Hund prinzipiell nicht unbedingt alleine lassen.
Wie äußert sich Trennungsangst beim Hund?
Die Symptome der Trennungsangst können sehr vielfältig sein. Sie können von Lautäußerungen wie bellen, winseln oder jaulen über Dinge zerstören, an Türen kratzen – speziell an der Eingangstüre – koten und urinieren, sabbern, speicheln bis hin zu Selbstverstümmelung – häufig dabei Pfoten lecken – reichen. Um eine Diagnose erstellen zu können, ob es sich tatsächlich um Trennungsangst handelt, ist es empfehlenswert, den Hund mit einer Kamera über einen Zeitraum zu filmen und sich danach genau aufzuschreiben, was passiert: Gibt er Lautäußerungen von sich, was macht der Hund, trinkt er zwischendurch oder kann er fressen, ist es eventuell Langeweile, die der Hund hat…?
Ein guter Tipp ist es auch, sich eventuelle externe Auslöser anzusehen. Gibt es in der Umgebung laute Geräuschquellen wie Baustellen, Feuerwehr, bellende Hunde oder ähnliches, sind draußen oft andere Hunde, die der er sieht und dadurch gestresst ist und vieles mehr. Leidet ein Hund an Trennungsangst, empfiehlt es sich immer, ihn erst einmal gesundheitlich durchchecken zu lassen (Schilddrüse, Schmerzen etc.).
Wenn ein Hund nicht alleine bleiben möchte bzw. unter Trennungsangst leidet, wie könnte ein mögliches Training ausschauen, damit er dann auch ein paar Stunden alleine bleiben kann?
1. Im ersten Schritt sollte man einen Rückzugsort aufbauen – gut eignen sich dafür Gitterboxen, die man gemütlich herrichtet und auch obendrüber mit einer Decke abdeckt – an dem sich der Hund wohlfühlt und entspannen kann. Dazu füttert man den Hund immer wieder in der Box oder bietet ihm etwas zu kauen an.
Parallel dazu sollte man einen Entspannungsduft aufbauen, welcher mit einer Decke oder einem Halstuch verknüpft wird. Dieser konditionierte Entspannungsduft hilft aufgeregten Hunden nach intensiver Verknüpfung – etwa zwei bis drei Wochen – entspannter zu sein.
Dazu eignet sich reines ätherisches Lavendelöl, das man in eine Duftlampe gibt oder ein paar Tropfen auf zum Beispiel ein Halstuch (in einer Mischung von 1:10, ätherisches Öl: Mandelöl). Die Decke muss zunächst mit dem Kontext Entspannung verknüpft werden, das heißt, wann immer sich der Hund in einem entspannten Zustand befindet, legen wir die Decke dazu. Der Hund muss sich nicht drauf legen, er soll diese nur im entspannten Zustand wahrnehmen. Wird der Hund wieder aktiv, verschwindet die Decke wieder. Nach ausreichender Verknüpfung können wir nun beginnen, die Decke an Orte mitzunehmen, die für den Hund aufregend sind. Nach „Entladung“ muss unsere Decke übrigens wieder mit Entspannung aufgeladen werden.
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2. Nun sollte man sich ein kleines Ritual einfallen lassen, um dem Hund zu signalisieren: “Ich bin für dich jetzt nicht ansprechbar”. Das kann ein Gegenstand sein, der für den Hund sichtbar aufgestellt wird oder eben unsere Decke, aber auch Musik – klassische Musik wirkt wissenschaftlich erwiesen ebenfalls entspannend. Natürlich kann man auch mehrere Rituale mischen.
Für den Aufbau legt man dem aktiven Hund das Halstuch um, schaltet die Musik an oder was man eben für ein Ritual einsetzen möchte. Ab dann kümmert man sich nicht mehr um den Hund (Wichtig: in dieser Zeit sollte der Hund keinerlei Möglichkeit haben, uns durch irgendein Verhalten aus der Reserve zu locken!). Man kann dem Hund auch gerne etwas zur Beschäftigung anbieten, zum Beispiel einen Kong, Kauzeug oder ähnliches.
Entspannt sich der Hund und legt sich hin, warten wir noch kurz, nehmen anschließend unser(e) Ritual(e) weg und beschäftigen uns wieder normal mit dem Hund. Nach einigen Wiederholungen, wenn er bereits verknüpft hat, dass Frauchen oder Herrchen jetzt gerade nicht für ihn ansprechbar sind und der Hund sich dabei entspannt, alleine beschäftigt oder hinlegt, können wir beginnen, uns immer mehr zurückzuziehen. Dazu eignet sich beispielsweise, ein Kindergitter aufzubauen, sodass wir zwar noch sichtbar, aber durch eine Barriere getrennt sind. Je schwerer dem Hund das Alleinebleiben fällt, desto mehr Zwischenschritte sollte man sich überlegen.
3. Klappt das alles gut, kann man damit beginnen, die Wohnung kurz zu verlassen, sobald wir unser Ritual gestartet haben. Dazwischen ruhig auch immer wieder einige Schritte zurückgehen, also eventuell Ritual starten, aber im Raum bleiben.
Dieses Training beginnt man übrigens im Idealfall bereits im Welpenalter, denn da fällt es meistens um einiges leichter…
Kann man das Alleinebleiben immer trainieren und gibt es Hunde, die man besser nicht alleine lässt und wie erkennt man das als BesitzerIn?
Abgesehen von Erkrankungen wie Epilepsie oder selbstzerstörerischem Verhalten kann man das Training mit jedem Hund versuchen, wobei es sicherlich Gründe gibt, aufgrund derer alleine bleiben schwieriger zu erlernen ist. Speziell Hunde aus dem Tierschutz haben oft Probleme damit. Dann ist ein gut strukturiertes Training in Mini-Schritten unabdingbar.
Training in Schritten gegen Trennungsangst bei Hunden
Schritt 1: Ein Ritual wird aufgebaut – das kann zum Beispiel ein Halstuch mit Duft sein. Das wird anfangs allerdings nur dazugelegt.
Schritt 2: Entspannt der Hund, bindet man das Halstuch nach ein paar Tagen um. Das steht später für „Bezugsperson ist jetzt nicht ansprechbar“.
Schritt 3: Ein sicherer Rückzugsort wird aufgebaut, verknüpft mit viel Entspannung. Am besten anfangs darin füttern oder Kausachen anbieten.
Schritt 4: Nun ist es so weit – der sichere Rücksichtsort wird in Verbindung gebracht mit dem Signal „Ich bin jetzt nicht für dich da“.
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