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Zellerneuerung: Deswegen „altern“ wir
Was bedeutet es im wissenschaftlichen Kontext eigentlich, zu altern bzw. „jung“ zu bleiben? Menschen wie auch Hunde altern primär durch die zunehmende Schädigung und Abnutzung ihrer Körperzellen – dies ist ein natürlicher Prozess. Je nach Art der Zelle erneuern sich diese bei Menschen jeden Monat (Hautzellen) bis alle acht Jahre (Fettzellen), andere Zelltypen erneuern sich überhaupt nicht (z.B. Nervenzellen). Dabei folgen sie einem „Bauplan“, damit am Ende eine gesunde Zelle entsteht. Dieser Bauplan befindet sich in unseren Chromosomen, also unseren Genen. Um diesen wichtigen Bauplan zu bewahren, gibt es Schutzkapseln an den Enden der Chromosomen, sogenannte Telomere.
Im Laufe der Zeit, also mit jeder Zellteilung und -erneuerung, nützen sich die Telomere ab und verkürzen sich. Irgendwann sind die Telomere so kurz, dass die Zelle nicht mehr richtig funktionieren oder sich ineffizient oder gar nicht mehr teilen kann – dies nennt man zelluläre Seneszenz. Das führt insgesamt zu einem Funktionsverlust des Gewebes und damit zum Altern. Gleichzeitig sammeln sich genetische Schäden am Bauplan an, und Prozesse wie oxidativer Stress und Entzündungen beschleunigen dies zusätzlich. Die Unfähigkeit, Zellen zu erneuern, läutet dann üblicherweise den letzten Lebensabschnitt eines Lebewesens ein.
Können Telomere auch länger werden?
Allerdings gibt es auch Faktoren, die Telomere verlängern können – und damit nicht nur die Lebensjahre, sondern auch die Lebensqualität im Alter heben können. Bei Menschen hat man bereits herausgefunden, dass regelmäßige soziale Kontakte und mentales Training die Telomerdynamik verändern kann. Menschen mit einem aktiven Sozialleben und einem wachen Verstand im hohen Alter bleiben also länger „jung“.
In einer Studie gingen Mag. Julia Weixlbraun und ihr Team von der Veterinärmedizinischen Universität der Frage nach, ob sich ähnliche Effekte von Umweltfaktoren und Lebensgewohnheiten auf Telomerlänge auch bei Hunden zeigt. Schließlich verhalten sich Telomere von Hunden und Menschen ähnlich genug, um diese Annahme zu berechtigen.

Schlaue Hunde bleiben länger jung?
Im Zuge der Studie untersuchten Weixlbraun und ihr Team 63 Hunde unterschiedlichen Alters. Dabei analysierten sie den Einfluss mehrerer Faktoren wie Lebensalter, Ernährung, Körpermasse und Trainierbarkeit auf die relative Länge der Telomere. Lebensalter, Ernährung und Körpermasse hatten keine signifikante Wirkung auf die Telomerdynamik. „Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Faktoren wie Ernährung und Körpermasse keinerlei Einfluss auf Lebensdauer und Lebensqualität haben“, bekräftigt Weixlbraun. „Eine ausgewogene Ernährung und ein gesundes Körpergewicht sind für Hunde genauso wichtig für ein langes, lebenswertes Leben wie für uns Menschen. Beides wirkt sich auf andere Aspekte unserer Gesundheit aus, verändert aber die Länge der Telomere nicht in einem wesentlichen Ausmaß.“
Allerdings konnten Weixlbraun und ihr Team einen stabilen Zusammenhang zwischen der Trainierbarkeit und Telomerlänge beobachten: Denn je besser die Trainierbarkeit der Hunde,
- desto langsamer verkürzten sich Telomere,
- desto eher behalten sie ihre Länge bei und
- desto wahrscheinlicher verlängern sie sich sogar.
Das bedeutet, dass Hunde mit hoher Trainierbarkeit eher „jung bleiben“ als Hunde mit schlechter Trainierbarkeit. Doch wie definiert das Forscherteam Trainierbarkeit eigentlich? Und wie kann man diese als Halter fördern und damit das Leben der eigenen Fellnase potentiell verlängern oder die Lebensqualität im Alter erhöhen? „Das ist eine schwierige Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt“, erklärt Julia Weixlbraun. „Im Zuge unserer Studie haben wir Trainierbarkeit anhand eines von Durga Chapagain und ihrem Team der Veterinärmedizinischen Universität Wien erstellten Testserie erfasst, die Modified Vienna Canine Cognitive Battery (MVCCB). Diese Testserie identifiziert die Trainierbarkeit als Fähigkeit des Hundes Aufmerksamkeit zu halten und Problemstellungen möglichst schnell und fehlerfrei zu lösen, ohne zusätzliche Hilfe vom Menschen. Hunde mit hoher Trainierbarkeit sind meist selbstständiger in der Problemlösung, haben eine höhere Konzentrationsfähigkeit und lassen sich nicht so leicht ablenken.“

Wie kann man Trainierbarkeit fördern?
Ein Patentrezept, wie man die Trainierbarkeit eines Hundes erhöhen kann, gibt es wahrscheinlich nicht – denn wie und wie schnell ein Hund Problemstellungen mental löst, hängt u. a. auch von der Motivation und von der Hunderasse ab. Denn während Hunderassen wie der Australian Shepherd gerne arbeiten und Freude an mentaler Auslastung haben, sieht beispielsweise der Chow Chow keine Notwendigkeit, ein verstecktes Leckerchen zu suchen, wenn er genauso gut ein Nickerchen halten könnte – was in seinen Augen ein viel wertvollerer Zeitvertreib ist.
„Natürlich lässt sich nicht jede Hunderasse oder jeder individuelle Hund gleich gerne trainieren“, so Weixlbraun. „Bei Trainierbarkeit geht es auch nicht zwingend darum, dass Hunde Kommandos befolgen. Viel wichtiger ist, etwas zu finden, das die Aufmerksamkeit des Hundes fesseln kann. Oder eine Problemstellung zur Verfügung zu stellen, die der Hund selbst erfolgreich lösen kann und will.“ Zu diesem Zweck eignen sich abwechslungsreiche Trainingseinheiten, das Erlernen neuer Kommandos oder Spiele und die Beschäftigung mit Das Stichwort hier lautet Regelmäßigkeit – denn nur, wenn die Trainierbarkeit dauerhaft gefördert wird, zeigt sich auch der positive Effekt auf die Telomerlänge.
Trainierbarkeit beim Hund fördern
Egal, ob jung oder alt – hier finden Sie Tipps und Ideen, wie Sie Ihrer Fellnase spannendes Training und mentale Auslastung bieten können:

Bei Trainierbarkeit geht es auch nicht zwingend darum, dass Hunde Kommandos befolgen. Viel wichtiger ist, etwas zu finden, das die Aufmerksamkeit des Hundes fesseln kann. Oder eine Problemstellung zur Verfügung zu stellen, die der Hund selbst erfolgreich lösen kann und will.
Mag. Julia Weixlbraun
Mag. Julia Weixlbraun
Zentrum für Biologische Wissenschaften
Veterinärmedizinische Universität Wien
Ihre Liebe zu Tieren aller Art brachte Julia Weixlbraun früh auf den Pfad der Veterinärmedizin. Bereits während ihres Diplomstudiums begann sie mit der Erforschung von Telomeren. Deren Komplexität und mögliche positive Einflüsse auf unser Leben fesseln sie nun schon seit 10 Jahren. Nach dem Diplomstudium arbeitete sie in der Tierklinik Aspern und begann bei der agroVet GmbH als tierärztliches Kontrollorgan für landwirtschaftliche Betriebe. Bei Improve International erstellte sie als Teil eines Teams Online-Fortbildungen über moderne Kleintiermedizin für Tierärzt:innen im deutschsprachigen Raum. Aufgrund ihrer Leidenschaft für Wildtiere begann sie 2021 zusätzlich das Masterstudium Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der BOKU University. Seit 2024 ist sie auch im Wildtierbereich tätig: Als Mitglied des Vereins Wild & Life leitet sie Exkursionen, und beim Wildtierschutzverein Wildes Bayern ist sie als Fachreferentin für Natur- und Tierschutzfragen tätig.
Julia lebt mit ihrem Mann in Niederösterreich. Ihre beiden Kater Janus und Zottel beherrschen dank Clickertrainings mittlerweile 45 Begriffe und fordern immer mehr. Janus kommuniziert gerne über seine Fluent Pet Buttons, ein spannendes Abenteuer in der innerartlichen Kommunikation. Bald soll auch ein Labrador-Welpe die Familie bereichern und zum Naturschutzhund ausgebildet werden, wo er wertvolle Spürarbeit im Wildtierbereich leisten wird.