Was bedeutet Qualzucht bei Hunden – Definition und Probleme?

by StefanC
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Lange wurde der Fokus darauf gelegt, das Aussehen von Hunderassen bis ins Unnatürliche zu steigern. Schnauzen und Beine wurden immer kürzer, Körperfalten immer ausgeprägter. Was bedeutet nun Qualzucht bei Hunden konkret? Wir sind der Frage nachgegangen, inwiefern festgelegte Rassemerkmale ungesundes Züchten zur Folge haben.

Die Anhängerschaft der Rassehunde ist enorm. Jede Rasse hat ihre Lobby, eigene Zuchtvereine und auch Fangruppen sind längst keine Seltenheit mehr. Aber alles hat seine Schattenseiten. So hat in den vergangenen Jahren  das Thema Qualzucht bei Hunden vermehrt Aufmerksamkeit bekommen.

Wie kam es zur Qualzucht bei Hunden?

Sogenannte Qualzuchten sind freilich über mehrere Generation und nicht von heute auf morgen entstanden. Viel zuviel ist man bei den einzelnen Rassen darauf bedacht gewesen, Zuchtmerkmale hervorzukehren. Insgesamt wirkten Rassen früher in ihrer Gesamterscheinung viel ausgewogener.

Der Mops besitzt beispielsweise mittlerweile oft so wenig Nasenrücken, dass er nur mehr schwer atmen kann und bei Hitze nicht mehr bewegt werden sollte, da sonst das Risiko eines Hitzeschlags steige. Außerdem quellen seine groß gezüchteten Kindchenschema-Augen aus den Höhlen, weil sich die Kopfform ungünstig verändert hat. Und das alles nur, weil es dem Menschen gefällt. Doch es ist Tierquälerei!

Rassemerkmale: Wenn Hunde zur „Karikatur“ werden

Die Kehrseite übertriebener menschlicher „Schönheitsideale“: Der Basset schleift fast mit dem Brustkorb am Boden, den Bernhardiner „schmücken“ blutunterlaufene Augenlider, weil seine Kopfhaut so stark ausgeprägt ist, der Shar Pei leidet unter Ekzemen und der Appenzeller Sennenhund ist aufgrund genetischer Defekte häufig mit einer Augenkrankheit geschlagen, die zur Erblindung führt. Außerdem bellt er wegen seiner ursprünglichen Bestimmung viel, woran schon mal ein Hundebesitzer scheitert.

Und wie sieht es mit der kleinen Retrieverart Nova Scotia Duck Tolling Retriever aus? Sie weist von außen betrachtet keine Qualzuchtmerkmale auf, aber trotzdem steckt hinter der Entstehungsgeschichte kein schönes Geheimnis: Aufgrund der intensiven Inzucht sind alle Rassevertreter untereinander genetisch bereits so verwandt wie Geschwister. Wo beginnt also die Verantwortung der Züchter, der Hundebesitzer und Welpenkäufer sowie der Dachverbände?

Probleme der Bewertungsmethoden

Danach befragt, welche Rolle die Richter bei der Entstehung von Qualzuchten spielen, bezog die Populationsgenetikerin Dr. Sommerfeld-Stur bereits vor Jahren ganz klar Stellung: „Die Richter sind diejenigen, die den Rassestandard einer Rasse interpretieren. Der Rassestandard lässt in den meisten Fällen dem Richter einen mehr oder weniger großen Spielraum. Es ist also letztlich Entscheidung des Formwertrichters, ob er einen Hund mit extremen und gesundheitsrelevanten Merkmalen nach vorne stellt oder einen mit einer moderaten und gesundheitsverträglichen Ausprägung der Rassemerkmale.“

Zudem betonte Sommerfeld-Stur in einem Gespräch mit der Hundehundezeitung aus dem Jahr 2014, wie wichtig ein komplettes Umdenken sei, das alle in die Pflicht nehme: Richter, Zuchtverbände, Züchterund Käufer.

Gesundheit wichtiger als Schönheitsideale

„Die Formwertrichter müssten bei jedem Hund genau beachten, ob er Rassemerkmale in einer Ausprägung trägt, die seine Gesundheit beeinträchtigen. Und die Zuchtverbände müssten gesundheitsrelevante Formwertmerkmale im Rahmen der Zuchtordnung genauso mit einem Zuchtausschluss bestrafen, wie sie es mit vielen erblichen Erkrankungen oder einfachen Schönheitsfehlern tun. Es ist ein Unding, wenn ein Hund wegen einem Schönheitsfehler aus der Zucht genommen wird, während ein anderer, der z. B. aufgrund seiner ausgeprägten Brachycephalie [= Kurz-/Rundköpfigkeit] kaum mehr atmen kann, eine Zuchtzulassungerhält!“

Das sind klare Worte. Und klare Worte braucht es, denn dem Rassehund, der entgegen aller vernünftigen Zuchtsysteme entstanden ist, läuft die Zeit davon! Längst müsste das erklärte Ziel aller Hundeliebhaber – das sollte Züchter, Verbände, Ringrichter und Hundebesitzer inkludieren – sein, ein höheres Gesundheitsniveau ihrer Vierbeiner zu erreichen. Das gelingt nicht mit herkömmlichen Zuchtmethoden.

Rassestandards: Mopsfidel war gestern

Findet kein Umdenken statt, „würden weiterhin unzählige Hunde ein Leben führen müssen, das den natürlichen Ansprüchen eines Lebewesens an Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität nicht gerecht wird. Und unzählige Hundebesitzer müssten weiterhin dabei zusehen, wie ein geliebter Hund leidet“, ist Sommerfeld-Stur überzeugt.

Ändert sich zu wenig, laufen wir Gefahr, dass Hunde gewisser Rassen trotz großer Fangemeinde nicht mehr lebensfähig sind oder schwere gesundheitliche Schäden aufweisen – „mopsfidele Tiere“ gehören dann der Vergangenheit an!

Definition: Qualzucht bei Hunden

Als Qualzucht wird die Züchtung von Tieren verstanden, bei denen Merkmale, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken geduldet oder sogar angestrebt werden. Derartige Merkmale sind Auslöser von Schmerzen, Schäden (z. B. des Bewegungsapparates) sowie Verhaltensstörungen.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte entstanden auch bei Hunden sogenannte Qualzuchten: Rassen mit Körpermerkmalen und anatomischen Veränderungen, die den Tieren zum Nachteil gereichen, Schmerzen und Leiden verursachen und sogar als tierschutzrelevante Merkmale unter Tierquälerei fallen. Dem Deutschen Schäferhund etwa wurde ein so stark abfallender Rücken gezüchtet, dass er vielfach Probleme mit dem gesamten Bewegungsapparat hat. Die Aufteilung in Arbeitshunde und Showhunde hat einige Rassen zu Karikaturen ihrer selbst verkommen lassen – mit gesundheits- und sogar lebensbedrohlichen Konsequenzen.

In Österreich sind Laut Paragraph 5 Absatz 2 des Tierschutzgesetzes Zuchtweisen verboten, „die für das Tier oder dessen Nachkommen mit starken Schmerzen, Leiden, Schäden oder mit schwerer Angst verbunden sind.“ Zudem ist auch der Import derartiger Tiere aus dem Ausland nicht gestattet.

In Deutschland ist die Qualzucht von Wirbeltieren ist laut Paragraph 11b des Tierschutzgesetzes verboten– außer, sie ist für wissenschaftliche Zwecke nötig. Der Deutsche Tierschutzbund und andere Organisationen bewerten die Gesetzeslage im Hinblick auf Qualzuchten bei Heimtieren als verbesserungswürdig.

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