Wenig berührt das Herz mehr als ein harmonisches Kind-Hund-Gespann. Nochmals mehr, wenn es die eigenen sind. Und Kinder sind meist fasziniert von Tieren und lieben ihren Hund von ganzem Herzen. Diese Faszination und Liebe wollen wir erhalten – und dabei gleichzeitig die Bedürfnisse beider Seiten beachten.
Warum das so wichtig ist? Um ein harmonisches und sicheres Zusammensein von Kind und Hund zu gewährleisten. Oder anders gesagt: Um Beißvorfälle zu verhindern. Denn jeder einzelne ist einer zu viel! Leider passieren die meisten Vorfälle mit dem Familienhund: Sollten wir daher lieber keine Hunde mehr halten, wenn ein Kind in die Familie kommt? Nein, absolut nicht! Aber es liegt in der alleinigen Verantwortung der Erwachsenen für ein harmonisches und sicheres Zusammensein zu sorgen. Worauf kommt es nun ganz besonders an?
Der wichtigste Tipp: Volle Beaufsichtigung. Immer.
Sind Kind und Hund zusammen, müssen sie beaufsichtigt werden. Nur anwesend zu sein, nebenbei aber bspw. durch Arbeiten oder Lesen abgelenkt zu sein, ist zu wenig. Wer Kinder hat weiß: Sie sind fast genauso schnell wie Hunde. Und mittlerweile wissen wir auch, dass Regeln das Risikoverhalten von Kindern im Kindergartenalter nicht verringern: Das heißt Kinder tun Dinge, die verboten sind. Einfach weil sie entwicklungsbedingt weder zur strikten Einhaltung der Regeln in der Lage sind, noch können sie die hündische Körpersprache sicher richtig lesen. Erklärungen sind hilfreich, aber nicht sicher.
Da man nicht immer schauen kann: Installieren Sie Kindergitter und trainieren Sie das abgetrennt sein positiv mit ihrem Hund. So ermöglichen Sie eine räumliche Trennung, ohne den Hund wegzusperren.
Noch ein wichtiger Tipp: Körpersprache lesen lernen
Die beste Beaufsichtigung kann nicht helfen, wenn wir Erwachsene die Körpersprache der Hunde nicht richtig lesen können. Kennen Sie die vielen Kind-Hund Videos, die auf Social Media geteilt werden und teils Millionen Likes bekommen? Bei so gut wie allen muss ich erstmals kräftig schlucken. Ich hoffe dann, dass die Situation für das Kind gut ausgeht und die Erwachsenen die hündische Körpersprache ganz schnell lesen lernen. Absichtlich übersieht niemand Stress- oder Drohsignale, gefährlich ist es trotzdem. Achten Sie daher u.a. auf folgende Signale Ihres Hundes:
- Häufiges übers Maul schlecken, ev. auch Abschlecken des Kindes, gähnen, blinzeln
- Blick, Kopf oder Körper abwenden
- Weggehen
- hohe Körperspannung, der Hund friert quasi ein und wird ganz steif
- große Pupillen (schwarze Augen)
- Walauge (weißes in den Augen sichtbar)
- Knurren (nicht bestrafen!)
Verändern Sie die Situation in diesen Fällen, bspw. indem sie den Hund herausrufen und danach darauf achten, dass das Kind Abstand hält.
Flexibel bleiben
Kinder und Hunde verändern sich, Kinder in den ersten Jahren sogar rasant schnell. Was gestern gegolten hat, kann daher heute ganz anders sein. Schauen Sie daher genau hin, was Ihr Kind und Ihr Hund jetzt in dieser Situation für ein harmonisches Miteinander brauchen.
Vorleben
Kinder tun, was wir tun, nicht was wir ihnen erklären. Das gilt auch im Umgang mit dem Hund. Pflegen Sie daher einen freundlichen und respektvollen Umgang mit Ihrem Hund. Ihr Kind wird sich diesen abschauen und versuchen, Sie nachzuahmen.
Kurze Tipps
- Volle Beaufsichtigung!
- Körpersprache lesen lernen + dem Kind erklären
- Vorleben + Regeln erklären wie: schlafenden und essenden Hund in Ruhe lassen, mit einer Hand streicheln, nicht am Hund sitzen/liegen, nicht treten oder anders Schmerz zufügen oder erschrecken
- Kindergitter installieren + sicheren Rückzugsorte für beide etablieren
- Interaktion z.B. durch Suchspiele + Essen vorbereiten
- Achtung bei Ressourcen, v.a. Futter und Spielzeug
- Professionelle Unterstützung, am besten bevor Probleme auftreten
- Ihr Hund zeigt (plötzlich) auffälliges Verhalten? Lassen Sie Schmerzen gründlich tierärztlich abklären!
Abgabe(-impuls)
Abschließend noch ein paar Worte zu einem Tabuthema: Abgabeimpulse in der Baby- und Kleinkindzeit sind zu erwarten. Viele Familien haben das Gefühl dem Hund nicht mehr gerecht zu werden oder sind überfordert mit der neuen Konstellation. Holen Sie sich in diesem Fall professionelle Hilfe einer gut qualifizierten Person mit zusätzlichem Know-how zu Kind-Hund Beziehungen. Erfreulicherweise kann in den allermeisten Fällen geholfen werden, um die Kind-Hund Beziehung zu fördern und ein reibungsloses und harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.
Kann die Familie die Versorgung von Kind und Hund aber tatsächlich nicht mehr gewährleisten, ist es eine Form von Verantwortung, ein passenderes zu Hause für den Hund zu finden. Wenden Sie sich in diesem Fall auch vertrauensvoll an Ihre:n Hundeverhaltenstrainer:in.
Autorin
Lara-Maria Nestyak, BA
Tierschutzqualifizierte Hundetrainerin und Sozialpädagogin
Lara arbeitet vorrangig mit Familien, deren Hunde Probleme im Kontext Angst & Aggression zeigen und mit Welpenhalter:innen, um genau dem vorzubeugen. Außerdem ist sie in der Aus- und Weiterbildung von Hundetrainer:innen tätig. Lara ist international mehrfach ausgebildet, Mitglied mehrerer Vereinigungen professioneller Hundetrainer:innen und hat sich voll und ganz dem modernen, gewaltfreien Umgang mit Tieren verschrieben.
Kontakt:
www.voeht.atDie VÖHT-Online Akademie veranstaltet am Montag, 9.8.2021 ein Webinar zusammen mit Lara-Maria Nestyak zu diesem Thema.
Mehr dazu und Anmeldung:
https://www.edudip.market/w/392510