Die Grenzen der Trainierbarkeit bei Hunden

by Nina Wurzer
Veröffentlicht: Zuletzt aktualisiert am 4 Minuten Lesedauer
Hunde beim Training mit Ball - die Hundezeitung - (c) Canva

Dass Hunde wunderbar trainierbare Wesen sind, ist hinlänglich bekannt. Während der legendäre Border Collie Rico jedoch Hunderte Spielzeuge mit Namen kannte und sogar neu hinzugekommene per Ausschlussverfahren herausfinden konnte, scheitert mancher Otto-Normal-Hundehalter am simplen Rückruf. Warum ist das so und was gibt es bei der Trainierbarkeit bei Hunden zu beachten?

Individuelle Trainierbarkeit bei jedem Hund!

Zum einen werden das Aufwachsen und die Einflüsse in der frühesten Förderphase massiv unterschätzt. Soll heißen: Natürlich hängt die Decke tiefer, wenn in den ersten Lebenswochen wenig relevante Reize auf das Hundehirn treffen, die auch das Lernen begünstigen. Wer gefördert wird, dessen Hirnsynapsen bilden sich zahlreicher und vernetzter aus – beim Menschen wie beim Hund oder anderen (lebenslang) lernenden Wesen. Zum anderen sind die Regeln des guten Lernens zwar oft bekannt, im Hundetraining oder der Erziehung wird aber gerne mal zu viel zu schnell in zu großen Schritten verlangt. Der Hund, der in reizarmer, gewohnter Umgebung gut abrufbar ist, ist es noch lange nicht in der großen weiten Welt. Regel Nummer eins lautet: Training ist an das tierische Gegenüber anzupassen. Dabei müssen Vorgeschichte, Alter, Allgemeinzustand, Wetter, Müdigkeit, kleinschrittige Generalisierung und viele, viele Faktoren mehr berücksichtigt werden.

Kleinkind mit Welpen - die Hundezeitung - (c) Kerstin Biernat-Scherf

Die Prägephase des Welpen stellt die Weichen für sein späteres Stressempfinden – und beeinflusst somit auch maßgeblich die Fähigkeit lebenslangen Lernens.

Trainierbarkeit bei Hunden: unfassbare Fähigkeiten
und Motivationsfallen

Hat der Junghund einen guten Start ins Leben, sind Meisterleistungen einfacher möglich. Der Weltrekordhalter im Auffinden vermisster Personen konnte beispielsweise anhand der Asche eines verbrannten Gegenstandes den dazugehörigen Menschen erschnüffeln. Dieser Bluthund zeigt wie andere Artgenossen, die Krebs oder sogar Durchfallerkrankungen bei Rindern aufspüren können, bevor sie ausbrechen, die als Blindenführ- oder Assistenzhunde, in der Trümmer- und Flächensuche, bei der Trüffelsuche o.Ä.im Einsatz sind, dass den Fähigkeiten unserer Hunde kaum Grenzen gesetzt sind.

Aber wie fördert man diese Trainierbarkeit? Regel Nummer zwei lautet: Pausen braucht das Hirn! Auch der freudig arbeitende Hund muss rasten und ruhen dürfen. Im Schlaf festigen sich Lerninhalte, Erlebtes wird verarbeitet, der Organismus erholt sich, um in neuen Situationen adäquat reagieren zu können. Immer wieder verblüffen einen Videos im Netz, in denen Hunde zu sehen sind, die mit ihren Besitzer:innen wahre Tänze vollführen. Einstudierte Choreografien beeindrucken ebenso wie der abgerichtete Jagd- oder Hütehund, der Dutzende von Körpersignalen, Pfiffen, Handzeichen und sogar mimische Veränderungen in Windeseile dechiffrieren und danach korrekt handeln kann.

Was haben diese Hunden gemeinsam? Eine gewisse Motivierbarkeit. Denn bei zu viel Druck oder Härte sinken auch Motivation und Konzentration und damit die Leistung. Daraus lässt sich eine dritte Regel ableiten: Positiv bleiben, denn wo der Druck beginnt, enden das Wissen oder die Geduld – des Menschen! Oft bedeutet die das Ende des freudig mitarbeitenden Hundes und eben der Trainierbarkeit. Diese Motivationsfallen können so weitreichen, dass der ehemals freudig arbeitende Jagdhund im Wald aus dem Auto nicht mehr aussteigen will, dass der begeisterte Sportbegleithund knurrt, wenn er sein Laufgeschirr sieht, etc.

Die vierte Regel ergibt sich daraus: Lerngesetze beachten! Positives Motivieren, gutes Abschließen, realistische Anforderungen in Wohlfühlsettings sind weit effektiver als großschrittiges Training unter Stress und in überforderndem Umfeld. Die Grenzen der Trainierbarkeit werden somit maßgeblich durch mehrere Faktoren bestimmt – sowohl durchgenetische als auch prägende als auch durch Lerngesetzmäßigkeiten, Pensum, Stresslevel und vieles mehr, vor allem aber durch den Menschen, der trainiert. Wurde beispielsweise der Welpe von einer stark gestressten Mutter, etwa einem Straßenhund, geboren, dann stellten sich bereits im Mutterleib die Weichen für sein gesamtes späteres Stressempfinden und auch für die Stressresistenz – ein Umstand übrigens, der von vielen, vielen Menschen stark unterschätzt wird, wenn sie sich Hunde mit Vorgeschichte, aus dem Ausland oder mit unsicherer Vergangenheit nachhause holen.

Oft sind dem Lernen, der Trainierbarkeit, lebenslange Grenzen gesetzt. Das Bittere daran: und das trotz intensivster Bemühungen der Hundemenschen! Diese Ausführungen sind keinesfalls misszuverstehen als Appell, nur mehr Hunde von Züchter:innen zu kaufen – im Gegenteil: Sie sind die Einladung dazu, sich vor der Anschaffung des zukünftigen Haustieres, das wenigstens zu einemkleinen Teil trainierbar sein soll, mit dem Einfluss der Genetik, der Prägung und nicht zuletzt der eigenen Fähigkeiten und mit dem Ausmaß der eigenen Geduldauseinanderzusetzen. Denn wer das tut, der kann die Grenzen der Trainierbarkeit zwar nicht sprengen, aber zumindest maßgeblich mitbestimmen.

Grenzen der Trainierbarkeit bei Hunden - die Hundezeitung - Hund steht vor Besitzer (c) Canva

Damit ein Hund als Blindenführhund im Einsatz sein kann, ist nicht nur gewissenhafteste Arbeit der ausbildenden Menschen vonnöten. Viel früher beginnt bereits die nötige Vorarbeit: bei Zuchtselektion und Erbkrankheitenausschluss.

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