Kleiner schwarzer Jagdhund springt auf einer Wiese.

Welcher Hundehalter mit einem jagdlich motivierten Hund kennt es nicht … man ist sowieso schon nur mehr an der langen Schleppleine unterwegs, weil Freilauf unmöglich ist, versucht alles, um seinen Hund glücklich zu machen und dann würdigt er mich keines Blickes, sobald wir draußen unterwegs sind? Frustrierend ist so ein Verhalten auch für den Halter, aber wie fühlt sich der Hund, wie kann ich Spaziergänge für alle Beteiligten angenehmer und vor allem auch, positiver, gestalten? Nachstehend ein paar Tipps, woran man denken sollte und arbeiten kann …

 

Hundetypen und Jagdverhalten

Die Frage vorweg ist natürlich, welchen Typ Hund habe ich überhaupt vor mir? Die Jagdgebrauchshunderassen, die natürlich genetisch sehr viel Jagdmotivation mitbringen, aber auch z. B. Hütehunde, die zwar primär nicht fürs Jagen gezüchtet wurden, aber Sequenzen des Jagdverhaltens über die Jagdverhaltenskette sehr wohl in sich tragen, bringen genetisches Jagdverhalten mit. Hier kann man das Jagen nicht wegtrainieren, sondern über Management und auch Gehorsam die Situationen kontrollierbar machen.

Die Jagdverhaltenskette besteht aus mehreren Teilen, die sowohl als „Kette“, als auch alleinstehend gezeigt werden können. Erstes Kettenglied ist das ORIENTIEREN. Hier wird sehr oft die – auch weitläufige – Umgebung nach interessanten Reizen mit Blicken abgesucht, sozusagen gescannt. Wenn der Hund nun etwas für ihn Interessantes sieht, wird dieser Reiz fixiert. FIXIEREN ist ein Starren bzw. Nicht-aus-den-Augen-Lassen des Reizes, gefolgt vom ANPIRSCHEN, einem – oft in geduckter Haltung gezeigtem – Anschleichen in Zeitlupengeschwindigkeit. Ist die Distanz zum Reiz nun so gering, dass ein HETZEN bereits erfolgversprechend sein könnte, wird rasant beschleunigt und die potenzielle Beute mit Maximalgeschwindigkeit attackiert und weiterverfolgt. Es folgt das PACKEN mit anschließendem TÖTEN des Beutetiers, gefolgt vom ZERLEGEN bei größerer Beute oder dem sofortigen KONSUMIEREN bei kleineren Tieren.

© Hans-Peter Halasz

 

Bei den meisten Hundetypen ist die Jagdverhaltenskette nach dem Hetzen zu Ende, wobei dieser Teil für uns Hundehalter allerdings das größte Problem darstellt. Nicht nur, dass sich der Hund unserer Kontrolle vollkommen entzieht und sich auch Gefahren, wie Straßenverkehr o. ä., aussetzt, sollte man den Stress, den die verfolgen Wildtiere erleben, auch nicht vergessen.

Ist mein Hund aber nicht mit genetischem Jagen „ausgestattet“, kann in vielen Fällen durch Umstellung von einigen Faktoren im Hundealltag, wie Umgang, Tagesabläufe, Beschäftigung, etc. eine Besserung erreicht werden.

Welche Ausrüstung ist sinnvoll?

Hunden, denen (noch) kein Freilauf gegeben werden kann, das Lauf- und Bewegungsbedürfnis allerdings groß ist, sollten mit Schleppleine gesichert werden. Die Länge richtet sich nach Größe und Impulsivität des jeweiligen Hundes, jedoch gilt: der Hundehalter muss den Hund auch halten können, wenn mal etwas stürmischer in die Leine gelaufen wird. Eventuell kann mit Ruckdämpfern, die zwischen Hund und Leine eingehakt werden, etwas Abhilfe geschaffen werden. Ein unbedingtes Muss bei Schleppleinenführung ist die Verwendung eines gutsitzenden Brustgeschirrs, das den Druck auf den Brustkorb verlagert und die Bewegung nicht einschränkt.

Noch einige, für den Hund, besonders schmackhafte Leckerchen und ein kleines Spielzeug eingepackt – und los geht’s.

Erste praktische Übungen am Weg zum Freilauf

Basis für Spaziergänge an der Schleppleine sind eine akzeptable Leinenführigkeit, Blickkontakte, die der Hund auch von sich aus mit dem Hundehalter aufnehmen sollte und eine Ansprechbarkeit in Situationen mit mäßiger Ablenkung. Bei der Leinenführigkeit sollte der Fokus darauf gerichtet werden, dass der Hund für korrektes Verhalten, wie dem Gehen an lockerer Leine, bestätigt wird und das Ziehen nicht zum Erfolg führt. Öfteres Umkehren bzw. denselben Hin- und Rückweg zu nehmen, kann oft hilfreich sein, um mehr Ansprechbarkeit und Aufmerksamkeit zu erhalten.

Blickkontakte, die der Hund von sich aus zu mir aufnimmt, sollten auch – ohne weitere Verpflichtung – gelobt werden. Ab und zu ein Leckerchen verstecken und bei Blickkontakt den Hund animieren, es in meinem Umfeld zu suchen, kann das Interesse an der Interaktion mit dem Hundehalter etwas fördern.  Die Ansprechbarkeit, wie auch das Umorientieren des Hundes aus verschiedenen Situationen, übt man in einem ruhigen, für den Hund bekanntem, Umfeld und tastet sich erst langsam mit steigender Ablenkung an die Spaziergehsituation heran. Beim Umorientieren sollte der Hund auf ein bestimmtes Signal den Blick zu mir richten und sich vom bisherigen Reiz abwenden – ein Signal, das auch bei Wildsichtungen gut eingesetzt werden kann.

© Lisa-Maria-Koeck

 

Auf dem Weg zum Freilauf sind zuverlässiges Abrufen und Stoppen auf Distanz zwei Basiselemente, die auch unter starker Ablenkung klappen sollten. Beide werden optimalerweise, neben Hör- und Sichtzeichen, auch mit Pfiffen verwendet und mit hochwertiger Belohnung bestätigt.

Nicht vergessen darf man allerdings, dass Training am Jagdverhalten auch von verschiedenen Faktoren, wie Tagesverfassung von Hund und Halter, Umgebung, Tages- und Jahreszeit, Wildvorkommen, etc. abhängig ist. Anfangs wird man oft täglich vor neue Herausforderungen gestellt und es kann Geduld und Nerven kosten, am Ball zu bleiben … aber der Tag, an dem man seinen Hund das erste Mal im Freilauf oder am Wild abrufen oder stoppen kann, lässt die mühsamen Tage, Wochen oder Monate schnell vergessen.

Autorin:

Sabine Pöllmann-Karlik ist Hundetrainerin in Hollern, NÖ. Ihr Schwerpunkt liegt in der Arbeit mit Jagdhunden, deren jagdlicher Ausbildung und Jagdersatztraining, sowie in der Ausbildung von Familienhunden und der Korrektur von Problemverhalten.

Das am 11. Oktober 2021 stattgefundene Webinar „Das Jagdverhalten der Hunde“ von Sabine Pöllmann-Karlik kann unter https://www.edudip.market/w/395430 angesehen werden.

www.dogs-talk.at

www.voeht.at

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