Corona-Krise in Serbien: Ausnahmezustand für Hundebesitzer

by StefanC
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Die strikten Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Coronavirus sorgen aktuell in Serbien für äußerst schwierige Situationen bei Hundebesitzern und stellen Tierschützer bei der Versorgung von Straßenhunden vor massive Herausforderungen.

Mit einiger Verspätung hat COVID-19 auch Serbien erreicht. Dies spüren aber nicht nur die Menschen, sondern wie immer auch sofort die Schwächsten eines Landes – die Tiere.

Der Stellenwert von Vierbeinern in Serbien ist, was die Gesetzgebung anbelangt, eher gering. War die Situation mancherorts schon vor der Corona-Krise problematisch, so ist sie nun katastrophal. Denn für ganz Serbien gilt von Montag bis Freitag eine generelle Ausgangssperre von 17:00 bis 5:00 Uhr. Was zur Folge hat, dass Hundehalter nach 17:00 Uhr mit ihren Hunden nicht mehr vor die Türe dürfen. Die Hunde müssen sich dann in der Wohnung erleichtern, worunter natürlich die Hygiene von Mensch und Hund leidet. Für ältere und kranke Hunde, die in kürzeren Abständen die Möglichkeit haben müssen, ihr Geschäft zu verrichten, führt das bereits zu wesentlichen gesundheitlichen Folgen.

Eine Sonderregelung für Hundehalter, die ihnen erlaubte zwischen 20:00 und 21:00 Uhr ihre Hunde im Umkreis von 200 Metern für maximal 20 Minuten Gassi zu führen, wurde widerrufen. Der Aufschrei von Hundehaltern, Tierärzten und Tierschützern wurde seitens der Regierung ignoriert.

Verschärfte Ausgangssperren

Noch schlimmer wurde es am Wochenende. Ab 2. April 2020 gelten die Ausgangssperren wie folgt: Samstag 13:00 Uhr bis Montag 5:00 Uhr Früh. Somit 36 Stunden strikte Ausgangssperre auch für Hundehalter. Was ist die Folge daraus? Hundehalter lassen ihre Hunde alleine vor die Türe in der Hoffnung, dass sie wieder zurückkommen. Bei einigen funktioniert das, aber leider nicht bei allen. Bislang konnten die Hundehalter spätestens am nächsten Morgen nach ihren Hunden suchen, doch mit der verlängerten Ausgangssperre wird das nicht mehr möglich sein.

Fragwürdige Berühmtheit erreichte in diesem Zusammenhang auch das Video einer Dame, die ihren Vierbeiner anstatt Gassi zu gehen, kurzerhand vom Balkon abseilte.

Die Gefahren, die durch die Gesetzgebung entstehen, sind nicht gering. Streunergruppen können jetzt freilaufende Hunde attackieren oder vertreiben – oder die städtischen Hundefänger, die trotz Krise weiter ihrem „Geschäft“ nachgehen, sammeln diese Hunde ein und bringen sie in die städtischen Anstalten. Eine Abholung von dort ist in zahlreichen Städten derzeit aber nicht erlaubt.

Versorgung von Streunern steht still

Auch auf Serbiens Straßenhunde hat die Ausgangssperre und das stillgelegte Sozialleben der Menschen massive Auswirkungen. Restaurants und Geschäfte haben geschlossen, somit fällt eine wichtige Futterquelle der Streuner weg. Viele Lokalbesitzer haben die Hunde vor der Krise mit Essensresten gefüttert, oder die Hunde konnten sich zumindest an den Abfällen bedienen. Besucher der Friedhöfe haben die dort in hoher Anzahl lebenden Straßenhunde mit Hundefutter oder Essensresten versorgt. Nicht zu vergessen die Tierschützer, die jeden Abend ihre Runde gedreht haben, um ganze Streunergruppen mit Futter, Parasitenschutz, aber auch mit Medikamenten zu versorgen. All diese Futterquellen fallen nun weg bzw. sind stark reduziert und die Hunde beginnen auf der Suche nach Nahrung ihre angestammten Plätze zu verlassen und wandern in andere Stadtteile.

Engpässe bei Hundefutterangebot

Die Versorgung mit Futter ist aber nicht nur für Streuner problematisch. Viele der kleinen Futtershops, in denen das Hundefutter nicht in Großpackungen verkauft, sondern in kleine Säcke nach Bedarf der Kunden abgefüllt wird, haben bereits geschlossen. Größere Shops haben noch geöffnet und auch noch Futter auf Lager, bei Spezialfuttermittel gibt es bereits erste Engpässe. Doch was, wenn die Lager leer sind? Tierschützerinnen aus Serbien berichten, dass es zwar Futtermittelhersteller in Serbien gibt, diese aber in der Produktion auf Rohstoffe aus dem Ausland – und somit auf die Öffnung der Grenzen angewiesen sind.

Eine ähnliche Situation wie beim Futter gibt es auch bei den Medikamenten für Mensch und Tier. Lange Warteschlangen vor Apotheken, viele Medikamente sind bereits nicht mehr erhältlich. Mundschutz, Mund-Nasen-Masken sowie Einweghandschuhe sind Mangelware und massiv überteuert. Desinfektionsmittel gibt es nicht mehr. Stattdessen verwenden die Menschen vielerorts hochprozentigen Alkohol.

Tierschutz im Ausnahmezustand

Eine besondere Herausforderung für die Tierschützer vor Ort ist die Versorgung von Tieren in diversen Auffanglagern. Es gibt keine Ausnahmegenehmigungen für Menschen, die Tiere in solchen Asylen versorgen, also müssen sie unter zum Teil widrigsten Bedingungen, ohne Strom und Heizung selbst in den Sheltern leben, damit die überlebensnotwendige Versorgung der Tiere gewährleistet ist. Gleichzeitig ist mit Ausbruch der weltweiten Krise auch die Spendenbereitschaft der Menschen gesunken – Charity-Veranstaltungen dürfen nicht mehr durchgeführt werden und die Finanzierung der privat über Vereine geführten Auffanglager und Tierheime steht somit auf der Kippe.

Tierärzte arbeiten ausschließlich für Notfälle. Kastrationen werden derzeit nicht durchgeführt. Somit sind auch Kastrationsprojekte aktuell stillgelegt. Ein massiver Anstieg der Streunerpopulation wird vermutlich die Folge sein. Denn zu den läufigen Streunerhündinnen kommen jetzt auch noch die läufigen Hündinnen aus Privathaushalten, die aufgrund der Ausgangssperren alleine unterwegs sind. Die unerwünschten Welpen, die daraus entstehen, werden aller Voraussicht nicht alle ein Zuhause finden.

Worst Case Szenario

Doch das ist noch nicht der Worst Case: Die Bevölkerung Serbiens wurde von der Regierung bereits informiert, dass es je nach Anstieg der Todesfälle es zu einer durchgehenden fünfzehntägigen Ausgangssperre für alle kommen kann. Die Folgen für die Hunde Serbiens wären verheerend!

Corona betrifft uns alle, aber es wird Länder geben, die sich schneller von der Krise erholen werden und es wird Länder geben, deren Bevölkerung und Tiere unter den Folgen jahrelang leiden werden. Serbien gehört definitiv dazu.

Update: Wie wir heute (6.4.2020) erfahren haben, gab es kleine Lockerungen für Hundehalter am Wochenende. Die Regierung gibt laufend neue Infos heraus und verändert ständig die Bestimmungen. Während der Ausgangssperren ist Gassigehen im Umkreis von 200 Metern für max. 20 Minuten in folgenden Zeiträumen erlaubt:

  • Samstag: 23.00-01.00 Uhr
  • Sonntag: 8.00-10.00 Uhr und 23.00-01 Uhr
  • Montag bis Freitag: 23.00-01 Uhr

Autorinnen: Rebekka Sterner und Iris Hafele vom Verein Tierschutz Sonne
Co-Autorin: Sarah Donko (ebenfalls Tierschutz Sonne)

„Wir von Tierschutz Sonne haben all diese Informationen von Tierschützern vor Ort aus den unterschiedlichsten Gegenden von Serbien zusammengetragen. Aus Nis im Süden Serbiens, von unserer Kollegin Ana, die unsere Projekte vor Ort betreut und nun täglich weit über ihre Grenzen hinaus versucht, die Versorgung der Hunde in unserem Projekt aufrecht zu erhalten. Aus dem Nordwesten, nahe der kroatisch-serbischen Grenze vom Verein Lassie Villach, der dort ein Tierheim unterstützt. Aus dem Nordosten Serbiens vom deutschen Verein Rainbow Rescue, der ebenfalls ein Tierheim betreibt.“

Über Tierschutz Sonne

Tierschutz Sonne betreut in Nis (Serbien) ein privates Auffanglager für aktuell 140 Hunde. Zudem finanziert der Verein in Kooperation mit den örtlichen Tierärzten Kastrationsprojekte vor Ort.

Weitere Infos unter www.tierschutz-sonne.at und facebook.com/TierschutzSonne

 

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